Tai Chi Harmonie

Tai Chi Harmonie

Was bedeutet Harmonie im Tai Chi? Starten wir mit einem Spruch von einem meiner Lehrer: „Das höchste Ziel im Tai Chi ist die innere und äußere Harmonie.“ Das klingt gut. Doch was bedeutet das konkret? Wie verstehen wir überhaupt Harmonie? Harmonie bedeutet „im Einklang sein“. Sagen wir, Körper, Geist und Seele sind auf der gleichen Schwingung.

Harmonie von Körper und Geist

Innere (Geist) und äußere (Körper) Harmonie bedeutet im Tai Chi, dass unsere äußeren Bewegungen, also die Bewegungen, die man sieht, mit Deinen inneren Bewegungen, also Deinem Gemütszustand, Deinem Bewusstsein etc., im Einklang sind. Im Tai Chi können wir Körper und Geist in Harmonie bringen, weil wir beides gleichzeitig trainieren. Ich gehe sogar noch weiter: Indem wir den Geist und den Körper aufeinander hin trainieren, entwickeln wir Ganzheitlichkeit.

Joggen ohne Harmonie

In vielen westlichen Sportarten sind Körper und Geist getrennt, z. B. beim Joggen. Dort können Körper und Geist sehr gut unabhängig voneinander sein. Der Läufer hört Musik oder denkt über Dinge nach, aber er beschäftigt sich in dem Moment nicht mit dem Körper. Der rennt und rennt und rennt… Harmonie im Tai Chi entsteht, wenn Körper und Geist im gegenwärtigen Moment denselben Weg gehen. Ich werde zur gefühlten Vorstellung meiner Bewegung.

Harmonie von Yin und Yang

Auch in der Yin-Yang-Lehre geht es um den Ausgleich der beiden Pole. Zuviel Yin oder Yang schadet der Harmonie. Beispiel Gesundheit: Aus Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) ist sowohl zu viel Yang als auch zu viel Yin ungesund. Ein gesunder (=harmonischer) Mensch hat ein ausgeglichenes Yin-Yang-Verhältnis. Durch das Tai Chi-Training werden Yin und Yang im Körper immer wieder ausgeglichen. Studien belegen beispielsweise, dass Tai Chi-Training den Blutdruck bei Patienten ausgleicht. Menschen mit zu geringem Blutdruck konnten durch Tai Chi diesen wieder in den Normbereich anheben. Menschen, die einen zu hohen Blutdruck haben, konnten diesen durch Tai Chi-Training entsprechend senken. Oder betrachten wir den Ausgleich zwischen Ruhe und Bewegung: Tai Chi ist weder hektisches Herumfuchteln noch meditativer Stillstand. Es gibt unendlich viele Beispiele, wie Du mit Tai Chi Harmonie trainierst und sie damit auch in Deinem Leben entwickelst.

Das Konzept der sechs Harmonien

Im Tai Chi gibt es das Konzept der drei äußeren und drei inneren Harmonien. Die drei äußeren Harmonien im Tai Chi sind recht einfach erklärt: Es verbinden sich Schulter und Hüfte, Ellenbogen und Knie, Hände und Füße. Eine Herausforderung ist es – wie so oft -, diese Idee in praktischer Übung erfahrbar zu machen. Eine Basisübung wäre z. B., während des Formlaufens auf die Ellenbogen und Knie gleichermaßen zu achten. Allein durch Deine bewusste Hinwendung auf beide Körperbereiche ändern sich Deine Bewegungen und Deine Körperstruktur. Im nächsten Schritt könntest Du Ellenbogen und Knie z. B. im Kraftverlauf aufeinander beziehen. Die Knie stützen die Ellenbogen und die Ellenbogen sinken in die Knie.

Drei innere Harmonien

Die drei inneren Harmonien sind ein bisschen herausfordernder. In der Literatur gibt es dazu verschiedene Modelle mit leichten Unterschieden. Das hier soll kein wissenschaftlicher Text werden, daher konzentrieren wir uns auf ein Modell.

Die erste innere Harmonie sagt, Herz und Vorstellung kommen zusammen. Für das Tai Chi-Training bedeutet das z. B., dass Du nicht einfach nur die Form abspulen sollst, sondern jedes Mal mit Überzeugung, mit Herzblut, ja, mit Emotion trainierst. Wenn Du Tai Chi trainierst, dann trainierst Du mit ganzem Herzen Tai Chi und bist 100 % bei Deinem Training, wach und konzentriert.

Die zweite innere Harmonie besagt, die Vorstellung (Yi) und die Energie (Chi) kommen zusammen. Im Unterricht sage ich ab und zu: „Das Yi führt das Chi.“ (Manchmal führt das Chi auf das Yi, aber dazu könnte man einen eigenen Blogartikel schreiben…) Es geht hier darum, dass erst durch bewusstes (Yi) Training die innere Kraft oder auch Energie (Chi) entwickelt und geführt wird. Ein traditionelles Bild ist das der Fahnenträger in alten Schlachten. Die Fahnenträger sind vorgelaufen, damit die Soldaten wussten, wo sie hinrennen müssen. Das Yi ist der Fahnenträger, das Chi folgt der Vorstellung. Wir lenken das Bewusstsein in den Körper, lenken das Chi durch unser Yi. Diesen Effekt von Selbstwirksamkeit kannst Du nach einiger Trainingszeit dann auch wirklich körperlich erfahren.

Die letzte innere Harmonie besagt, Energie (Chi) und Kraft (Li) kommen zusammen. Die Energie alleine kann keine Kraft nach außen entfalten. Wir brauchen dazu – ganz profan – auch unsere Muskulatur. Wir können also (leider) nicht – á la Star Wars – nur auf die Kraft vertrauen, um zum Beispiel unser Gegenüber umzuschubsen oder Formen zu laufen. Was sich verändert ist die Art, wie wir die Kraft (Li) einsetzen und durch die Energie unterstützen lassen. Zu Beginn lernst Du zunächst, unnötige Muskulatur nicht einzusetzen (= zu entspannen) und so eine Idee von gerichteter Kraft zu bekommen. Dadurch ist Tai Chi als Entspannungsverfahren auch so wertvoll. Deine Bewegungen werden sozusagen effizienter, da Du dieselbe Arbeit bzw. Bewegung mit viel weniger Kraftanstrengung vollziehen kannst. Und auch dadurch gewinnst Du wieder mehr Harmonie in Deinen Bewegungen. Der Kreis schließt sich.

Wie sind Deine Ideen zu Tai Chi Harmonie? Nutzt Du dieses Konzept für Dein eigenes Training? Schreib mir gerne Deine Gedanken.

Was es sonst noch zu den Tai Chi Grundübungen zu sagen gibt, erkläre ich im Video:

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Wenn Du mehr über Tai Chi oder Tai Chi Chuan wissen möchtest, findest Du hier alle bisher erschienenen Artikel unseres Tai Chi ABC:

Tai Chi Anfänger

Tai Chi Bewegung

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Tai Chi Dao

Tai Chi Entspannung

Tai Chi Formen

Tai Chi Grundübungen

Tai Chi Harmonie

Tai Chi im Alter

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